Nachfolgend ein Presseartikel aus der Rheinpfalz, Ausgaben Pfälzer Tageblatt und Germersheimer Rundschau, vom 02. September 2023.
Unsere Obermeister Walter Adam jr., Fleischer-Innung Süd- und Vorderpfalz und Claus Becker, Bäcker-Innung Pfalz-Rheinhessen und unser Hauptgeschäftsführer Jochen Heck wurden zur aktuellen Situation im Nahrungsmittelhandwerk interviewt.
Im September 2022 wandte sich der Herxheimer Metzgermeister Walter Adam mit einem dramatischen Hilferuf an die RHEINPFALZ. Seine Metzgerei, so sagte er damals, stehe kurz vor dem Ende. Zusätzlich zu den vielen Problemen, die es vorher schon gegeben hatte – Fachkräftemangel, Corona-Pandemie, Lieferengpässe und Inflation – seien damals auch noch stark steigende Energiepreise hinzugekommen, die speziell mittelständischen Handwerksbetrieben schwer zu schaffen machten. Wenn sich nichts ändere, müsse er seinen Betrieb im Februar schließen – und so gehe es auch vielen anderen. Ein knappes Jahr ist das nun her. Was ist aus den düsteren Prognosen geworden?
„Man geht natürlich erst einmal vom schlimmsten Fall aus“, sagt Adam heute. Und dieser sei glücklicherweise nicht eingetreten. Es sei weniger katastrophal gekommen als es die Prognosen zwischenzeitlich hatten vermuten lassen, doch die Situation sei noch immer angespannt. Es gebe aber von Betrieb zu Betrieb große Unterschiede, was gerade in Bezug auf die Energieprobleme deutlich werde. Die Betriebe, die ein größeres Risiko eingegangen seien und ihren Strom nun zu einem mit der Börse gekoppelten Preis beziehen, hätten Glück. Kollegen ohne eine solche Kopplung hätten zum Teil die doppelten Kosten zu schultern. Allerdings könne sich das auch immer schnell ändern. Was ihm persönlich aber helfe, sei die Photovoltaikanlage auf dem Dach, sagt Adam. Das sei keine kurzfristige Anschaffung, sein Betrieb habe zwei Jahre lang darauf warten müssen, doch nun ist sie ein Glücksfall.
Dass Photovoltaikanlagen ein Trend für Handwerksbetriebe sein könnten, zeigt auch das Beispiel der Bäckerei Becker in Edenkoben. Wie Adam hat sich auch Claus Becker für eine Anlage auf dem Betriebsdach entschieden und hofft darauf, dass diese bald Strom produziert und für etwas Entspannung sorgt. Ein zusätzliches Problem von Bäckereien, das auch mit Solarstrom nicht gelöst werden könne, sei allerdings der Gaspreis. Auch dieser habe sich verdoppelt und sei damit einer der Hauptkostentreiber. Trotzdem sieht Becker die Energiesituation als kalkulierbar an. Sie hätten sich mit betriebswirtschaftlichen Mitteln auf die Situation eingestellt, sagt er. „Ein unternehmerisches Risiko besteht immer.“
Auch Adam glaubt, dass sie die Situation inzwischen besser abschätzen könnten. Dennoch habe sich das Wirtschaften geändert – man müsse zunehmend kurzfristig denken, um schnell genug auf Probleme reagieren zu können. Durch die geringeren Gewinnmargen könne sonst schnell eine nicht mehr abzufedernde Schieflage entstehen. „Ich will mich aber gar nicht beschweren, es hätte weit schlimmer kommen können.“ Gerade, dass die Stammkundschaft ihm weiterhin die Treue halte, helfe ihm.
Hierin liegt nämlich noch einmal ein weiteres Problem. Während zu Beginn der Pandemie mehr und vor allem auch hochwertiges Fleisch gekauft worden sei, erklärt Adam, werde jetzt tendenziell weniger gekauft. Diese Einschätzung stützt auch der Hauptgeschäftsführer des Dienstleistungszentrums Handwerk, Jochen Heck. Die Organisation unterstützt Handwerksbetriebe bei den vielen, vor allem bürokratischen Aufgaben, die über das eigentliche Handwerk hinausgehen. Gerade für Fleischer sei die Herausforderung, sagt Heck, dass sie wie die anderen Betriebe den enormen Kostendruck spüren würden, zusätzlich aber darauf achten müssten, dass sich ihre Kundschaft die Waren noch leisten könne und leisten wolle.
Insgesamt bestätigt auch er, dass die schlimmsten Befürchtungen nicht eingetreten seien – was vor allem an dem weniger extremen Anstieg der Energiekosten liege. Auch das Inflationsausgleichsgesetz und die Fortführung der niedrigeren Steuern auf Speisen hätten geholfen. Dennoch blieben gerade die weiterhin hohen Energiekosten ein Problem, allen staatlichen Maßnahmen zum Trotz. Deshalb sei es dringend notwendig, die Bedingungen für wettbewerbsfähige Strompreise zu schaffen – für die Industrie ebenso wie für das Handwerk, denn viel zu oft werde nur auf die großen Unternehmen geschaut. Bis eine Lösung für einen Strommarkt gefunden sei, von dem alle profitieren, könne eine befristete Privilegierung energieintensiver Betriebe sinnvoll sein.
Ein großes Problem und einer der Kernpunkte seiner Arbeit ist jedoch die Bürokratie. „Kleine Betriebe sind überproportional davon betroffen.“ Was ihnen fehle, seien die Ressourcen. Sie müssten Mitarbeiter abstellen, um die anfallenden Arbeiten zu erfüllen. Diese fehlten ihnen dann aber wiederum an anderer Stelle. Neue Mitarbeiter seien auf dem angespannten Fachkräftemarkt nur schwer zu finden. Und selbst wenn es sie gäbe, könnten viele Unternehmen sich das kaum leisten. Die Versprechen vergangener Regierungen, Bürokratie abzubauen, seien jedes Mal wieder ins Leere verlaufen. Gerade hier brauche es aber dringend spürbare Entlastungen.
Das sieht auch Claus Becker so. Die Bürokratie findet er sogar noch schlimmer als die Energiepreise, denn sie wäre eigentlich vermeidbar. Die vielen Verordnungen würden es ihm schwer machen, seiner eigentlichen Arbeit nachzugehen, nämlich gute Produkte herzustellen und zu verkaufen. Als bestehende oder drohende Probleme dieser Art zählt er Düngeverordnungen, Werbeverbote für ungesunde Lebensmittel oder den Nutriscore auf, der am Ende vielleicht sogar noch auf Auslegeware angewendet werden müsse. In solchen überbordenden Regelungen sieht er nichts als eine Bevormundung durch die Politik.
Er wünscht sich einen positiveren Blick auf das Handwerk. Die Verdienstmöglichkeiten seien besser als noch früher und man könne dafür sorgen, dass die Kunden sich gut ernährten. Solche positiven Aspekte müssten häufiger hervorgehoben werden. Gleichzeitig sollte die Politik weniger von oben herab entscheiden. Fachfremde würden versuchen, den Handwerksbetrieben alles vorzuschreiben, ohne selbst davon betroffen zu sein.
Auch Heck möchte das Positive hervorheben. Das Handwerk habe sich trotz der Krise als stabiler Arbeitgeber erwiesen. Doch auch wenn es letztendlich weniger Schließungen gegeben habe als befürchtet, verblieben sie auf hohem Niveau. „Wir dürften im Nahrungsmittelhandwerk inzwischen bei einem jährlichen Abschmelzungsprozess von fünf bis zehn Prozent liegen“, sagt er. Gerade bei Handwerksbetrieben mit ihrer oft langen Tradition werde die Entscheidung zur Betriebsschließung nicht kurzfristig getroffen. Die vielen Probleme, darunter gerade auch der Fachkräftemangel, beschleunigten diesen Prozess jedoch und es gebe immer weniger Übergaben. „Die Betriebe werden einfach geschlossen und sind weg.“